Gemeinschaftsgärten

Was sind Gemeinschaftsgärten?

'There are countless images and ideas of urban community gardens – as many as there are gardeners.
Indeed this is their essence and strength.' Malvin Hassel


In Gemeinschaftsgärten wächst weit mehr als nur selbstherangezogenes Gemüse, es entsteht - oft ganz nebenbei - eine Gemeinschaft, die im sozialen Miteinander Kommunikations- und Integrationsprozesse ermöglicht. Gemeinschaftsgärten gibt es weltweit.


Die Idee der Gemeinschaftsgärten geht auf die so genannten 'Community Gardens' zurück, die seit den 1970er Jahren v.a. in New York entstanden sind. Auf dort brachliegenden Flächen gründeten sich damals erste gemeinschaftlich getragene Projekte im Stadtteil, die nicht nur neue grüne Freiräume mitten im bebauten und urbanen Umfeld darstellten, sondern außerdem zu einer Revitalisierung und Aktivierung des Stadtteils führten. Eine ganz bestimmte Form von Gemeinschaftsgärten stellen die so genannten 'Interkulturellen Gärten' in Deutschland dar, die sich an der Projektidee und den Projektzielen der Internationalen Gärten in Göttingen orientieren. Mitte der 1990er Jahre hatten Frauen aus Bosnien, die aufgrund des Krieges ihre Heimat verlassen mussten die Idee, auch in Deutschland wieder Gärten zu pflegen. Das erfolgreiche Konzept wurde zu einem Modellprojekt für viele weitere Interkulturelle Gärten, die in Folge in Deutschland und später auch in Österreich entstanden. Der Grund für den enormen Erfolg und die rasante Ausdehnung der Idee besteht in der Sache selbst: in unserer Gesellschaft gibt es wenige Orte, an denen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ein Alltagsthema teilen können.

Gemeinschaftsgärten sind Gärten, die von einer Gruppe von Menschen betrieben werden. Hier spielt aber nicht nur das Gärtnern eine Rolle, sondern auch das gemeinsame Arbeiten, die Mitgestaltung des Stadtteils, die Möglichkeit der Partizipation innerhalb einer Gemeinschaft, die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Sinns im gemeinsamen Tun und letztlich das kommunikative Zusammensein im Garten. 

Für die Beschreibung kollektiver gärtnerischer Tätigkeiten werden verschiedene Begriffe wie Nachbarschaftsgarten, Interkultureller Garten, Community Garden usw. verwendet - Wir verwenden für unsere Tätigkeit und auf dieser Seite den geläufigsten Begriff 'Gemeinschaftsgarten'.

Nachbarschaftsgärten werden von der direkten Nachbarschaft betreut. Es geht hier darum, ein Stückchen Grün in der eigenen Nachbarschaft zu haben und Menschen aus der Umgebung kennen zu lernen. In thematischen Gärten hingegen steht eine ganz bestimmte Zielgruppe im Vordergrund, zum Beispiel ältere Menschen, Kinder oder MigrantInnen. Auch Mischformen existieren, so dass sich festhalten lässt, dass Gemeinschaftsgärten durch Diversität gekennzeichnet sind.

Dennoch lassen sich einige grundlegende Gemeinsamkeiten benennen: Die Flächen, auf denen Gemeinschaftsgärten errichtet werden, gehören meist öffentlichen Trägern, wie Städten, Kommunen, Kirchen oder Stiftungen. Die Nutzung der Fläche durch eine Gartengruppe wird meist über einen Vertrag geregelt. In den Gärten gibt es Einzelparzellen für den individuellen Anbau der beteiligten Gärtner/innen, sowie Gemeinschaftsflächen. Die Gartengemeinschaften können sich durch Grassroot-Initiativen bilden, aber auch durch Top-Down-Initiativen, beispielsweise soziale und kulturelle Vereine, die erst eine geeignete Fläche suchen, Strukturen schaffen und dann die Fläche einer Gartengruppe übergeben. Soziale, kulturelle und ökologische Diversität ist ein wesentliches Kriterium der Gemeinschaftsgärten. Hier ist nicht nur das Konzept der interkulturellen Gärten zu nennen, sondern auch Nachbarschaftsgärten, in denen Menschen einen Raum teilen, die sich in anderen gesellschaftlichen Räumen nicht begegnen. Die Zugänglichkeit zu den Gärten ist ebenfalls unterschiedlich. Manche Gärten sind zu jeder Zeit offen, andere sind versperrt und ein öffentlicher Zugang ist nur zu bestimmten Öffnungszeiten möglich oder wenn eine Gärtnerin oder ein Gärtner vor Ort ist. Was Wasserkosten, Versicherung, Abfall und anderes betrifft, werden diese Kosten meist zur Gänze von der Stadt oder von Organisationen übernommen oder müssen anteilig von den GärtnerInnen übernommen werden.

Gemeinschaftsgärten als politische Handlungsräume
Ein Gemeinschaftsgarten ist ein politischer Handlungsraum en miniature. In offen-demokratischen Aushandlungsprozessen werden die Belange der Gartenstruktur, des Gartenalltags und des sozialen Miteinanders verhandelt und vereinbart. Teilhabe und Mitbestimmung im Gemeinschaftsgartenprojekt können ein Gefühl und das Erleben von Partizipation vermitteln, welche sich positiv sowohl auf die Gemeinschaft als auch auf den Einzelnen/die Einzelne auswirken können. Eine Gemeinschaftsgärtnerin sagt in diesem Zusammenhang:

Ich finde, es ist auch eine politische Aussage zu sagen, ok, wir nehmen jetzt unseren Stadtteil in die Hand und machen was Schönes daraus, was unseren Ansprüchen, unseren Vorstellungen entspricht und gestalten das so, wie wir das möchten. (...) Das ist ein Prozess, der mitbestimmend und mitgestaltend ist. (Julia)

Soziale Handlungsräume
Gemeinschaftsgärten sind Orte des sozialen Miteinanders, der Kommunikation, der gegenseitigen (Nachbarschafts-)Hilfe und des tätigen Wissensaustauschs. Gerade in der Großstadt wird die soziale Bedeutung von Gemeinschaftsgärten deutlich, da Anonymität und soziale Segregation durchbrochen werden können.

Hier hab ich das Gemeinsame. Dass ich hier nicht alleine stehe und was mache. Dass wir das wirklich gemeinsam machen. Einfaches Miteinander. Ganz einfach. (Alexander)

Pädagogische Handlungsräume
Ein Garten hält vielerlei Möglichkeiten bereit, Kenntnisse und Erfahrungen mit der Natur zu machen. Dies macht auch die Potenziale der gemeinschaftlichen Gartenprojekte für die Sozialpädagogik deutlich, da sich Gemeinschaftsgärten sowohl auf den Lebensalltag der beteiligten Menschen, als auch auf das umliegende Gemeinwohl beziehen. Die Eigenverantwortung der Gärtner/innen wird gestärkt und zugleich die Teilnahme und Partizipation am öffentlichen Leben gefördert.

Subjektive Handlungsräume
Gemeinschaftsgärten sind Räume, die vielfältige Möglichkeiten für ihre GärtnerInnen bereithalten. Sie knüpfen an vorhandenen Strukturen an, bewirken aber auch neue Orientierungs-, Lern- und Handlungsmöglichkeiten. Der Garten hilft sich selbst in einem neuen Kontext kennen zu lernen, das eigene Selbst- und Weltbild wahrzunehmen und einen eigenen Weg in selbstbestimmter und eigenverantwortlicher Weise zu finden.

(Der Garten) gibt mir einen Boden unter den Füßen (und) auch das Gefühl jetzt bin ich wer. Jetzt bin ich der, der tut, der Kleinbauer. (Kristof)

Ökologische Handlungsräume
Und schließlich ist ein Gemeinschaftsgarten auch ein ökologischer Handlungsraum. Dabei wird in einem urbanen Kontext ein ökologisch-verträglicher Alltag praktiziert, welcher auch Einzug in das Privatleben der beteiligten Gärtner/innen hält. Es werden in der Stadt Nutz- und Kulturpflanzen angebaut, die im städtischen Umfeld längst in Vergessenheit geraten sind. Der städtische Boden wird zudem wieder urbar gemacht. Gärten in der Stadt sind auch neue Lebensräume für Insekten, Schmetterlinge und Vögel.

vgl. Madlener, Nadja (2009): Grüne Lernorte Gemeinschaftsgärten in Berlin

Gemeinschaftsgärten übernehmen soziale, kulturelle und ökologische Funktionen in urbanen Lebensräumen. Sie können Stadtbewohner/innen mit Schlüsselqualifikationen wie Fähigkeit zum Engagement, sozialer Kompetenz, Selbstachtung, Respekt, Toleranz und Empathie ausstatten bzw. sie beim Erwerb dieser Soft-Skills unterstützen. Mit Wissen über Umwelt und Natur können Gemeinschaftsgärten kulturelles Kapital fördern und durch Eigenarbeit und Selbsthilfe ökologische Initiativen anregen. Solchermaßen gestärkt ist es Stadtmenschen möglich, sich individuell weiterzuentwickeln, ohne auf die Kultivierung des Gemeinwohls zu verzichten.

 

Wo finde ich Gemeinschaftsgärten?

Auf unserer interaktiven Gartenkarte findest Du Gemeinschaftsgartenprojekte in Österreich. Weiters findest Du dort auch Gärten im Aufbau -für eine Kontaktaufnahme, Unterstützung und Beteiligung bei der Gründung-,  Solidarische Landwirtschaftsprojekte (CSA) und Andere Garteninitiativen wie Guerilla Gardening, Baumscheibenbepflanzungen, etc.


Auf unserem Marktplatz  gibt es auch die Möglichkeit nach einem Gartenprojekt zu suchen bzw. einen Garten zur Verfügung zu stellen.

Wie gründe ich einen Gemeinschaftsgarten?

Zuerst die Fläche? Zuerst die Gruppe? Beides ist möglich...

Erfahrungsgemäß ist es vor allem im urbanen Raum schwierig an ein geeignetes Grundstück zu kommen. Unsere Empfehlung ist, sich zu Beginn eine kleine Gruppe von MitstreiterInnen zu suchen, um sich so die oft mühsame Gründungsarbeit (Suche nach einer Fläche, Behördengänge, Recherchearbeiten,...) aufzuteilen und um sich gegenseitig unterstützen zu können.

Bei der Suche nach einem passenden Grundstück gilt es, mit offenen Augen die Gegend zu erkunden. Brachflächen, Baulücken, ungenutzte Park- oder Grünflächen, verwilderte Gärten - vieles kann zu einem blühenden Gemeinschaftsgarten werden. Zu den potentiellen Flächen müssen dann auch die EigentümerInnen ausfindig gemacht werden. Ein  Blick ins Grundbuch kann helfen. Je nach Eigentumsverhältnissen wird dann mit Privatpersonen, Magistratsabteilungen, Firmen, BezirksvorsteherInnen, GemeinderätInnen verhandelt.

Gerade auf öffentlichen Flächen hilft es, politische Entscheidungsträger auf lokaler oder regionaler Ebene von Eurem Projekt zu überzeugen. Unsere Erfahrung zeigt, dass es viel schneller zu Pachtverträgen für Gemeinschaftsgärten kommt, wenn es Unterstützung auf der Bezirks-/Gemeindebene gibt.

Parallel zur Flächensuche kann sich auch schon die Gruppe näher kennen lernen und eine gemeinsame Idee vom zukünftigen Gemeinschaftsgarten entwickeln.
Sollen alle Flächen gemeinschaftlich bewirtschaftet werden oder wird es Einzelparzellen geben?
Wie soll das Gemeinschaftsleben gestaltet werden?
Wie werden Entscheidungen getroffen?
Die Antworten auf solche und viele andere Fragen werden oft in den Gartenregeln festgehalten.

Oftmals ist die Gründung eines Vereins auch notwendig um einen Pachtvertrag oder eine Förderung zu erhalten. Dies hat neben dem arbeitsteilenden Effekt vor allem haftungstechnische Vorteile für die PächterInnen.

Auf der Seite Downloads findest du Beispiele von Statuten und Gartenregeln.


Wenn Du gerade dabei bist, einen Garten zu gründen, laden wir Dich herzlich ein, an unseren diesbezüglichen Bildungsveranstaltungen teilzunehmen bzw. zu unseren regelmäßig stattfindenden Netzwerk-Veranstaltungen zu kommen. Diese sind immer eine gute Gelegenheit, sich über Gartenprojekte auszutauschen. Besonders bei unserer jährlich stattfindenden Netzwerktagung kann man meist viel Inspiration für das eigene Projekt bekommen und neue Gärten und Menschen kennenlernen.

In einigen Bundesländern gibt es auch schon aktive Organisationen, die Euch bei den ersten Schritten unterstützen können. In unserer Linksammlung haben wir einige für Euch zusammengestellt. Auch wir helfen gerne  mit unseren bei der Initiierung von Gemeinschaftsgartenprojekten gesammelten Erfahrungen weiter und begleiten Gartengruppen in Wien auch längerfristig.

Unter der Rubrik Marktplatz kannst Du nach einem Garten suchen bzw. einen anbieten falls Du ein geeignetes Grundstück hast, das du gerne in einen bunten Gemeinschaftsgarten verwandeln und somit BürgerInnen ein Stück Freiraum zur Verfügung stellen möchtest.